Fabrikverkauf [art-wear] [walking exhibition]
Aus der Veröffnung Reinhard Döhls Veröffnung

Frieder Rusmanns Fabrikverkauf [art-wear] [walking exhibition] kommt nicht aus heiterem Himmel. Er hat ihren Platz in einer Welt, in der es fast nichts mehr gibt, was nicht als Logo, Werbung oder ähnlich kapitalistischer Unfug auf Kleidung und insbesondere T-Shirts zur Schau getragen wird. In dieser Kleiderverordnung verhalten sich Rusmanns T-Shirts subversiv, indem sie Botschaften spazieren tragen, die Spieler und Zuschauer erst einmal zur Botschaft komplettieren müssen, um verstanden zu werden. Zum Beispiel:

Avantgarde is wurscht

Wer Rusmanns bisheriges Oeuvre kennt, das bildkünstlerische Arbeiten ebenso wie Essays zur bildenden Kunst

> Über den notwendigen Zwang zur Interpretation von Kunstwerken

und Kulturgeschichte

> Warum van Gogh sein Ohr verlor

umfaßt, muß dieses Diktum in zwei Richtungen lesen: in Richtung Dada und in Richtung Popart, wobei hier die amerikanische Spielart gemeint ist, die Lichtenstein, Warhol, Wesselmann vertreten, während bei Dada vor allem an Marcel Duchamp zu denken wäre: Ready made also und Fertiggericht und

der dritte Weg

weil Avantgarde auch und erst recht wurscht ist, wenn das Medium zur message und massage wird. Schließlich handelt es sich um Kunst auf T-Shirts. Und die trägt man in der Regel auf der blanken Haut, auch im globalen Dorf.

Avantgarde is wurscht

ist ursprünglich eine Arbeit aus dem Jahre 1997: Acryl auf Holz, 110 X 80 cm. Der Bildträgerwechsel von Holz auf Stoff (was nebenbei natürlich das Bild auf Leinwand ebenso mitironisiert wie das Sprichwort Wie des Garn, so das Hemd), der Medienwechsel demonstriert den von Walter Benjamin beklagten Auraverlust des Kunstwerks gleich in zwei Schritten, um dabei durch die Hintertür über die Trägerin/den Träger hautnah die Aura als etwas Persönliches wieder einzuschmuggeln. Gleichzeitig demonstrieren die Trägerinnen/Träger, daß

jede Form [...] multivalent

ist, eine Sprechblase Rusmanns, die es wie weitere Sprechblasen als T-Shirt noch nicht gibt. Der Fabrikverkauf läuft ja erst an. Auch das T-Shirt "Dada?" fehlt noch. An Stelle eines

> Dada ohne Hoffnung

wird in einem radikalen Akt Rusmannscher Rechtschreibereform aus Kunst

unst: K

und Beuys ist auch schon da. Und Gulio. Che wird noch kommen. Jedesmal steht das, was da steht und zu sehen ist, auch für etwas, das fabricant und fabricateur zu sagen vergessen haben, mit Fleiß, weil sie darauf vertrauen, daß Käuferinnen und Träger, Trägerinnen und Käufer das Kunstwerk durch Kauf und Gebrauch erst eigentlich herstellen. Was dann wie bei den Texten Rusmanns funktioniert, die auch erst durch ihr Lesen zu essais werden. Hätte van Gogh nicht gelebt, man hätte ihn erfinden müssen, sagt Rusmann. Irreal und potentiell. Das ist wie Schach mit Marcel und L.H.O.O.Q. rasée.

Haben Sie eigentlich schon Ihr T-Shirt geordert?