Der Stuttgarter Konzeptkünstler Frieder Rusmann bietet im Internet T-Shirts an

Eine soziale Plastik zum Anziehen

 "Ganz wichtig: falsch herum Bügeln ist richtig (sonst klebt die Kunst uncool am heißen Eisen.'' Frieder Rusmann lässt seine Kunden nicht allein; exakte Anweisungen, wie man seine "Artwear'' wäscht und bügelt, gibt er im Internet. Dort bietet der Stuttgarter Konzeptkünstler popartig bedruckte T-Shirts in streng limitierter Auflage an.

 VON SIMONE DRESCHER

 Von der Vorderseite der Hemden blickt einen zum Beispiel eine aufreizend lächelnde Dame im roten Bikini an, neben der ein Text verkündet: "Avantgarde is wurscht''.

 Frieder Rusmann, der eigentlich Johannes Auer heißt, aber Pseudonyme liebt, startete mit seinem Fabrikverkauf ein Experiment, das E-Commerce mit Kunst verbinden soll. Er macht den virtuellen T-Shirt-Käufer zum Teil der Internet-Gemeinde und eines mobilen Ausstellungsprojekts, der "Walking Exhibition''.

 Wer sich entschließt, online eines der Shirts aus der fünfteiligen Edition zu erstehen, wird nicht nur um gut 170 Mark ärmer, sondern bekommt ein Passwort. Mit diesem erhält der Kunde Zugang zur "Walking Exhibition''-Seite und kann dort veröffentlichen, wann und wo er mit seinem "T-Werk'' zu besichtigen ist. Denn die Kunst entsteht erst am Kunden: "Die Walking Exhibition ist eine soziale Plastik'', so Rusmann. Jüngst, lesen wir auf der Seite, hat sich eine gewisse Tina mit ihrem "Art is not your ego''-Shirt in der Vaihinger Discothek Universum als mobiles Kunstwerk vergnügt. Der Käufer, der das textile Werk austrägt, wird Teil der Performance. Allerdings erkennen nur eingeschworene Netzgänger Rusmanns Kunst als solche wieder.

 Als T-Shirts, "die zur Leinwand werden'', bezeichnet der Künstler selbst seine Artwear. Das T-Shirt wählte er als ein Symbol der Popkultur aus, auch seine einfach skizzierten Comicfiguren erinnern an Werke von Roy Lichtenstein und Andy Warhol. In einem aufwendigen Foliendruck-Verfahren lässt Rusmann die Serigrafien auf den Stoff übertragen.

 Die Ironie spielt bei Rusmanns Experiment eine wichtige Rolle. Denn um den schnöden Mammon geht es ja in der Kunst nicht. Kann es hier auch nicht, leben kann der Online-Fanatiker vom T-Shirt-Verkauf nämlich nicht. Die von ihm gestaltete Internetseite darf eher als Parodie auf den Kult um verschworene Web-Communities verstanden werden. Rusmann: "Das Thema E-Commerce ist ein Wahnsinns-Hype - das ist eine einzige Performance.''

 Als Mitglied des Künstlertrios "Das Deutsche Handwerk'' hat Frieder Rusmann schon früher den Kommerz persifliert, genauso wie die Kritik daran. So bauten die drei Künstler 1998 innerhalb der Ausstellung "Männer, Mädchen und Maschinen'' im Württembergischen Kunstverein einen Museumsshop auf, in dem es prominente Körperteile zu betrachten gab.

 Frieder Rusmann erhielt beim vergangenen Filmwinter eine lobende Erwähnung der Stadt Stuttgart in der Kategorie neue Medien. Neben dem Versuch, die Frage zu klären, "was E-Commerce für die Kunst zu leisten vermag und welche Strukturen sich dabei bilden'' befand die Jury den Sprachwitz der Seite als "allerhochlöblichst''.

 Die T-Shirts von Frieder Rusmann findet man unter www.fabrik-ver-kauf.de im Internet

 

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