13 Sätze für einen Maler
1 Es gibt Maler und Anstreicher.
2 Maler sind diejenigen, die Bilder machen. Malerei dient der
Herstellung von Bildern.
3 Bilder bilden nicht ab. Sie machen sichtbar. Bilder zeigen
nicht, was auch sonst sichtbar ist. Sie machen sichtbar, was es
außerdem sichtbar nicht gibt.
4 Eine Malerei, die man nicht vorlesen kann ("das ist Maria, das
ist ein Kohlkopf").
5 Eine Malerei, die man nicht übersetzen kann (die nicht die
Form von "das bedeutet das" hat).
6 Sichtbarmachen einer ganzen Welt.
7 Sichtbarmachen einer ganzen Welt, in der alles da ist, was da
ist (als Bild, als Malerei).
8 Sichtbarmachen einer ganzen Welt, von der der Maler nichts
weiß, als was er sichtbar machen kann.
9 In der der Maler zeigt, was an der Welt dran ist und was an
ihm dran ist.
10 Sichtbarmachen dessen, worin der Maler und der Beschauer sich
gleichermaßen erkennen (worin Maler und Beschauer identisch
werden).
11 Keine Madonnen mehr, keine Portraits, keine Landschaften usw.
Keine Geschichten, keine Deformationen, keine Geometrie. Sondern
nur Farbe und Strich und Fleck und Fläche.
12 Denn die Welt der Abziehbilder auf Abziehbildern zu Grabe
getragen (als Kulturobjekte, Repräsentationsobjekte,
Geschäftsobjekte, Verlagsobjekte, Illustriertenobjekte).
13 Bilder der Zeit, die anfängt. (Schlüssel der Zeit, die
anfängt.)
HH in: >augenblick<, Jg 3, 1958, H. 5, S. 1.

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