Frieder
Rusmann:
Das "Salzfaß" als ready-made oder - gibt es einen Unterschied zwischen Benvenuto Cellini und Thomas Raschke? Die berühmte Autobiographie des manieristischen Künstlers des 16. Jahrhundert trägt den Titel: "Leben des Benvenuto Cellini, florentinischen Goldschmieds und Bildhauers, von ihm selbst geschrieben". Die erste deutsche Ausgabe besorgte kein geringerer als Johann Wolfgang von Goethe. Noch 1981 erklärt der Kunsthistoriker Harald Keller es zu dem Quellenzeugnis des 16. Jahrhunderts. Kurz: anhaltende Begeisterung für einen Künstler, von dessen Werk gemeinhin wenig mehr bekannt ist als sein 'Salzfaß' und dessen Autobiographie, offen gesagt, mit einigem Recht als alberne Räuberpistole eines pathologisch Geltungssüchtigen charakterisiert werden könnte - als "Pulp" Roman des 16. Jahrhunderts – wenn, ja wenn sie uns nicht als bedeutendes Quellenwerk tradiert und ans Herz gewachsen wäre.
Und natürlich ist dieses überquellende und unterhaltsame Zeugnis historischer Trash-Literatur auch Dokument (Quellenwerk!). Wir lesen von einer Zeit der Unsicherheit und Veränderung und oft erscheint uns das Leben und die Meinungen von diesen Gentleman Cellini seltsam vertraut und bedeutsam.
Wahrscheinlich - und das wäre die Hypothese - hat die jetzige Generation der 30-jährigen, die oft als Pulp-Fiction-Generation benannte, mehr mit dem Manieristen Cellini gemein, als es auf den ersten Blick scheinen mag.
Verdeutlicht am Beispiel des Thomas Raschke: Thomas Raschke und Benvenuto Cellini sind beide Goldschmied und Bildhauer, das verbindet sie über die Jahrhunderte hinweg. Raschke und Cellini sind Künstler in Zeiten des Übergangs: Raschke als Künstler der Post-Postmoderne und der stereotypen Weltaneignung der Pulp-Fiction-Generation, Cellini als Künstler des Manierismus mit der konsequenten Übersteigerung der artifiziellen Harmoniegesetze der Renaissance.
Und natürlich hinkt dieser Vergleich mit allen Teufeln des Details: Cellinis Erfahrungswelt kann als noch authentisch charakterisiert werden oder anders ausgedrückt, er kämpft gegen konkrete Normen und Gegner. Der Kampf der lost generation jedoch stellt sich im Kämpfen schon selbst in Frage, ironisiert sich zum Stereotyp. An Beispielen verdeutlicht:
Jedoch, mit dem letzten Beispiel sind wir nicht nur einer Differenz sondern auch wieder einer wichtigen Gemeinsamkeit auf der Spur: Benvenuto Cellini schafft mit dem Salzfaß einen Gebrauchsgegenstand oder Kunsthandwerkliches. Durch das zierende Figurenprogramm (von Kunsthistorikern gern und gründlich interpretiert), der komplexe Dekor des Salzfasses und die umfangreiche schriftliche Erklärung in der Autobiographie versucht einen Gebrauchsgegenstand zum autonomen Kunstwerk zu deklarieren.
Und das, freilich, mutet nun sehr modern an. Letztlich führt dieser Versuch Cellinis direkt zu Marcel Duchamps ready-mades. Und auch Raschkes Brot bewegt sich auf dieser historischen Folie. Allerdings mit dem Unterschied, daß Raschke das ready-made in direktem Gegensatz zu Duchamp nun wieder handwerklich bearbeitet.
Es ist sicherlich sinnvoll an dieser Stelle
den Versuch einer korrigierten Genealogie des ready-mades zu wagen und
so wird folgende Typologisierung vorgeschlagen:
Butch, whose motorcycle is this?
Butch und Fabian in "Pulp Fiction"
Rusmann für
Raschke im September 98
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