Auers
Kunsttot-Projekt hat drei Zonen: manifest.zone, test.zone
und protest.zone. Erstere empfängt einen mit zwei
Reihen von Händen, die alsbald ganz ungeordnet
über den Bildschirm laufen, alle nach dem Klick zu
rufen scheinen, dann aber nirgends hinführen, sondern
ihre Schlagworte hervorholen.
Klickt man aufs Manifest
selbst, liest man Zeilen wie: "Warum wird auf Sixtina komm
raus erhalten, bewahrt und retuschiert? Machen wir uns
nichts vor: die zwanghafte Erhaltung von Kunst, die
umfassende Durchästhetisierung des Alltags, die
ständige Reanimation und 'Wiederentdeckung' vergangener
Kunstepochen ist nur Ausdruck der heutigen Phobie vor Alter,
Runzeln und Tod. Kunst als zeitlose Konstante ist die
Wunschprojektion der altersfreien Gesellschaft, ein
verkehrtes Dorian-Gray-Syndrom." Der Aufhänger scheint
im Biergarten geboren und besteht faktisch im frechen
Anders-Herum-Lesen: Musealisierung nicht als Verneigung vor
dem Alter, sondern als dessen Negation.
Das Manifest
Aber Rusmann-Auer hat seine
Beobachtungen mit einigen schönen Behauptungen
versehen. Er weist auf die um sich greifende
Infantilisierung hin, die den Tretroller, gegen den
früher schon Vierjährige auf das Fahrrad
bestanden, zum Trendsportgerät der Mittdreisiger werden
lässt. Er vergleicht die zwanghafte Restaurierung alter
Kunstwerke mit dem Face-Lifting des Schönheitschirurgen
und dem Jogging-Widerstand gegen erschlaffendes Fleisch.
Bestes Beispiel ist die Dresdner Frauenkirche: "der
historische Prozeß wird umgekehrt und das ausgebrannte
Symbol einer Gewaltherrschaft wird mit weltweitem
Spendenaufkommen versöhnlich zurückidyllisiert."
Ja, die Sache ist durchaus politisch.
Und so lädt das
Manifest schließlich zur Unterschrift folgender
Forderungen ein:
- Falten für
Mona Lisa
- Verbot von
Kunstdrucken
- Schluß mit
Ausstellungen der klassischen Moderne
- volles Licht in
die Museen
- kunstfreies Wohnen
- Förderung der
net.art (vergeht von selbst)
- säurehaltiges
Papier
- Verknappung der
Ölfarbenreserven
- Abschaffung des
Publikums
- Kunstpause
Es stehen schon einige
Namen zusammen, und wie es sich für das Medium
gehört, alle mit ihrer Email.-Adresse.
Der Test
Soweit die Politik. Folgt
der Spaß der test.zone, wo man Mona Lisa durch Klicks
einen Bart verpassen, sie ausziehen (ja, sie ist eine Frau)
und, denn sie wird alt und ihr ist kalt, wieder bekleiden
kann.
Man kann auch die
Frauenkirche per Klick "rückbauen", kann beim
berühmten Urinal die Spülung betätigen, kann
Reinhard Döhls Apfel-Gedicht - ja, das ist auch schon
über 35! - vom Wurm zerfressen lassen oder eine antike
Plastik durch einen Porsche umfahren und diesen dann durch
einen Nike-Sportschuh platt treten.
Der Protest
In der protest.zone geht's
dann zur Sache. Hier ist unsere Unterschrift gefragt,
entweder unter alle 10 Punkte, unter ausgewählte Punkte
oder unter irgendein Protestthema, das man selbst
einträgt. Man kann den unterschriebenen Protest auch an
eininge der Hauptangeklagten versenden: Neue Nationalgalerie
in Berlin, Museum für neue Kunst in Karlsruhe, Louvre
in Paris, Bundeskunsthalle in Bonn, Fine Arts Museums of San
Francisco, MOMA in New York, Kunsthalle Emden
usw.
Der Sinn
Der Klick auf abschicken ist
schnell getan und das könnte es dann gewesen sein. Man
kann freilich auch noch ein bisschen nachdenken über
den erwähnten Widerspruch Archivierung und Jugendwahn.
Ist das Festhalten an altehrwürdigen Kunstwerken, das
hier so moniert wird, nicht die bessere Medizin gegen eine
ganz auf Jugendlichkeit und Infantilisierung setztende
Dramaturgie des Spektakels? Soll Mona Lisa wirklich Big
Brother das Feld räumen?
Man weiß nicht, wie
ernst Rusmann-Auer es meint; Text und technische
Präsentation sind jedenfalls voller Ironie. Fest steht,
dass Auer Döhls Apfel braucht, um ihn immer wieder
aufzuessen. Auch der Witz mit Mona Lisa wäre keiner,
hinge "Leornardos lächelnde Schlampe mit
500-jähriger Samthaut" nicht brav und gut besucht im
Louvre. Nur vor dem Hintergrund des Bewahrten, nur unter der
Voraussetzung eines gut sortierten kollektiven
Gedächtnisses funktioniert die Rebellion. So scheint
das Manifest insgeheim nach dem zu rufen, was es auf der
Oberfläche verdammt. Aber sicher ist es nicht. Sonst
wär's ja auch keine Kunst.